Gemeinsam stark in der Nische: Warum ein ECMO-Netzwerk entstand
Die Zahl der ECMO-Therapien ist in den letzten Jahren stark gestiegen – und mit ihr die Herausforderungen für Pflegende. Unterschiedliche Anforderungen und Qualitätsniveaus zwischen Kliniken, fehlende Standards und ECMO als hochspezialisiertes Verfahren führten 2022 zur Gründung eines bundesweiten Netzwerks von Pflegefachpersonen im Bereich ECMO. Mittlerweile sind 30 Kliniken dabei – Tendenz steigend.
Das Ziel: Dialog auf Augenhöhe, praxisnah und unkompliziert. Denn vielerorts müssen Pflegende die komplexe Therapie mit etablieren, sich eigenständig fortbilden und passende Pflegestandards entwickeln. Das erfordert fundierten Austausch und verlässliche Strukturen.
Parallel dazu hat sich der fachliche Fokus in den letzten Jahren spürbar gewandelt: Statt primär um Beatmung und Hämodynamik geht es heute immer häufiger um pflegerische Schwerpunkte wie Mobilisation, Delir-Management und Sedierung. „Das Themenfeld rund um ECMO wird viel pflegerischer und wir wollen diese Lücke aktiv schließen“, erklärt Tobias Wittler, Sprecher des Netzwerks. Sein Stellvertreter Tobias Ochmann ergänzt: „Unser Ziel ist es, eine niedrigschwellige Plattform zu schaffen, auf der Pflegefachpersonen praxisnah in Kontakt treten können, um Fragen zu klären, Wissen und Erfahrungen auszutauschen.“
Austausch, wenn jede Minute zählt
ECMO kommt in vielen Kliniken nur selten zum Einsatz – oft in akuten Notfällen. Dann entstehen Fragen, auf die man nicht immer schnell eine Antwort hat. „Man steht in der Klinik vor dem Gerät, hat eine dringende Frage und oft keinen direkten Ansprechpartner, den man sofort kontaktieren kann“, beschreibt Tobias Wittler die Situation.
Über das Netzwerk gelingt genau das: Via Chatgruppe stellen Mitglieder ihre Fragen – meist folgt innerhalb weniger Minuten eine hilfreiche Rückmeldung. „Es gibt immer jemanden, der helfen kann – sei es durch eigene Erfahrung oder indem Expert:innen aus dem Netzwerk hinzugezogen werden.“
Auch bei schwierigen oder untypischen Verläufen ist der fachliche Rückhalt Gold wert. Ob alternative Lösungsansätze oder die Bestätigung, richtig gehandelt zu haben – das Netzwerk bietet einen geschützten Raum für Reflexion und fachliche Weiterentwicklung.
Kommunikation auf Augenhöhe statt Konkurrenz
Was das Netzwerk besonders macht, ist die offene Kommunikation und der respektvolle Umgang miteinander. „Pflegefachpersonen sind unglaublich gut darin, sich zu vernetzen, weil es keine starren Barrieren gibt“, sagt Tobias Ochmann. „Man kann sich auf Augenhöhe austauschen und Fragen stellen, die man sich vielleicht anderswo nicht zu stellen traut.“
Gerade in Kliniken mit wenigen ECMO-Fällen hilft das, Unsicherheiten zu überwinden und von Best Practices zu lernen – ganz ohne Wettbewerb. „Es geht nicht darum, wer der Beste ist, sondern darum, inhaltlich zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen.“
Standards aus der Pflegepraxis heraus
Neben Akuthilfe verfolgt das Netzwerk langfristige Ziele. Im Austausch wird deutlich, wo einheitliche Standards fehlen – etwa bei bestimmten Pflegeinterventionen oder Vorgehensweisen. „Wenn wir feststellen, dass es für ein Thema keine klare Herangehensweise gibt, arbeiten wir gemeinsam an einer Lösung“, so Tobias Ochmann. Dabei steht der pflegerische Blick im Mittelpunkt: „Denn oft wird über Pflege gesprochen, aber noch zu wenig von Pflegekräften selbst gestaltet. Durch das Netzwerk haben sie nun eine stärkere Stimme und die Möglichkeit, ihre Expertise aktiv einzubringen.“
Auch die Einarbeitung neuer Kolleg:innen ist ein zentrales Thema. Diskutiert werden Ausbildungskonzepte, individuelle Einarbeitungspläne, Simulationstrainings und bewährte Methoden – immer mit dem Ziel, Wissen praxisnah und nachhaltig zu vermitteln.
Vernetzt in die Zukunft
Der Erfolg spricht sich herum – auch ärztliche Kolleg:innen fragen an, ob sie mitmachen dürfen.
Doch das Netzwerk bleibt vorerst fokussiert: „Wir möchten sicherstellen, dass die besonderen Herausforderungen der Pflege im ECMO-Bereich gehört und bearbeitet werden“, so Tobias Wittler. Eine interdisziplinäre Öffnung bleibt perspektivisch aber denkbar.
Einmal im Jahr ist ein großes Netzwerksymposium geplant – offen für alle interessierten Pflegefachpersonen. Zusätzlich erscheint einmal im Quartal ein Newsletter, der aktuelle Studien, Termine und relevante Themen aufgreift. Anmeldungen sind über die Netzwerk-Website möglich.